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Der gläserne Mensch im Internet

In Zeiten wo sich die Internetnutzung seitens der westlichen Kulturen in den selbstverständlichen Alltagstrott eingebürgert hat, denken nur wenige darüber nach, wie sie mit ihrem Surfverhalten aus dem Schatten der privaten Verschwiegenheit treten und wildfremden Individuen geheime Daten über sich widerspruchslos zur Verfügung stellen.

Schon bevor der favorisiert verwendete Browser vom surfwilligen Nutzer N. zur Erkundung neuester digitaler Informationen verwendet wird, stößt er die Haustür seines beschaulichen Anwesens auf und begibt sich mit einer IP ausgestattet auf den Weg in den Datendschungel. Über diese IP und weitere Stammdaten, wie Name und Adresse, wieß sein Provider selbstverständlich bescheid und kann den Konsumenten stets auf seiner Reise identifizieren. Da dem Provider diese Angaben nicht genügen, zeichnet er auch Verbindungsdaten auf und erfährt dadurch, für welche Dauer sein Zögling das Internet monatlich verwendet und auf Wunsch, welche weiteren Programme dieser eigentlich in diesem Augenblick benutzt. Zu guter Letzt möchte der Provider stets das Beste für N. und probiert sein Angebot durch Analyse des Surfverhaltens an den User anzupassen.

Die Verbindung zu den unbegrenzten Möglichkeiten steht und der kommunikationsfreudige N. steuert das Haus eines kostenlosen Emailanbieters an. Wenn er nicht schon registriert ist, so erledigt er den Registrationsakt in wenigen Minuten unter Angabe seiner Stammdaten und einiger "statistischer Daten" - nur das Akzeptieren der AGBs trennt ihn vor der Einweihung seiner neu erworbenen persönlichen Emailadresse. Was eigentlich genau in den AGBs steht ist N., wie so vielen seiner Leidgenossen, nicht weiter wichtig und so darf er sich in Zukunft regelmäßig über neue Werbemails oder —briefe mit ganz individuellen Angeboten freuen, 1 GB Speicherplatz will ja auch ausgelastet werden.

N.‘s Wissensdurst ist bisher nicht gestillt und so recherchiert er mit Hilfe einer Suchmaschine nach Informationen über sein aktuelles Hobby, wobei er zur Befriedigung seiner Suchanfrage die überaus beliebte Suchmaschine "Google" wählt und ganz nebenbei feststellt, das "Google" mehr ist, als bloßes Suchen. Bei der Analyse der eher dezent aufgebauten Internetpräsentation des "Suchriesens" stößt N. auf eine erstaunliche Mannigfaltigkeit an überaus nützlichen Angeboten. So eröffnet sich für N. dank eines eigenen Accounts die Gelegenheit auf diverse Dienste zurückzugreifen.
Hier kann er zum Beispiel dank Google Desktop sämtliche Dateien und Dokumente, Emails, Outlook-Adressbücher und Termine indexieren und via einer Volltextsuchmaschine erschließen lassen. Zur Abrufung aller hinterlassenen Daten und Dokumente von diversen Computern aus, lagert "Google" die Inhalte aller erfassten Daten auf seinen Servern. Mit Hilfe von "Google Toolbar" überträgt N. dank "erweiterter Funktionen" die Adressen aller besuchten Sites zu "Google", in "Blogger.com" kann er seine Meinung niederschreiben und per "Orkut" wird er, nachdem er ein detaillierten Profil angelegt hat, Freunde und zukünftige Lebensabschnittsgefährten kennenlernen.
Dass er "Google" damit die Möglichkeit eröffnet, ein ausführliches Profil über die eigene Person zu erstellen, sollte ihm dabei durchaus klar sein. Das "Google" mit seinen und Millionen von anderen Daten außerdem eine riesige, stille Kapitalreserve für schlechtere Zeiten auf Lager hat, ist selbsterklärend. Nicht zu vergessen: Auch wenn es noch nicht an der Tagesordnung ist, es wäre ein Leichtes für "Google" seine Benutzer auszuspähen. Aber dieser höchstinteressante Ansatz dürfte jedem Nutzer dieser Dienste ja überaus klar sein. Oder?

Nachdem N. einigen für ihn aufschlussreich erscheinenden Links gefolgt ist und die Suchmaschine seine Klicks stillschweigend zu Gunsten der "Verbesserung der Qualität der Suchergebnisse" aufgezeichnet hat, besucht er die private Webseite seines Freundes Hagen und hinterlässt lobend einen Gästebucheintrag. N.‘s Emailadresse, die dabei gespeichert wird, steht noch einige Jahre genau an dieser Stelle und wird für weitere zahlreiche Besucher sichtbar und, wenn sie das Bedürfnis dazu haben, nutzbar ein.
Da N. schon wieder die Telefonnummer von Hagen vergessen hat, reicht ein Blick in das Impressum auf dessen Webseite, welches die Adresse und Telefonnummer von Hagen preisgibt. Nicht nur für N.

Immer wenn wir das Internet betreten und diverse Aktionen wie Email-Schreiben, Online-Banking, Amazon-Einkauf, Gewinnspiel und andere vornehmen, lassen wir eine Unmenge von digitalen Spuren im Netz zurück. Es ist nicht nur unangenehm, immer wieder von unerwünschter Werbung belästigt zu werden, auch haben wir alle oft keinen Einfluss darauf, welche Daten über uns im Internet zu finden sind. Das Chefs heute gerne vor einer Einstellung nach den Bewerbern "googlen", muss nicht immer von Vorteil sein.
In Zukunft müssen unsere Online-Aktivitäten zusätzlich dank Bundestagsbeschluss vom Februar 2006 gespeichert und mindestens 6 Monate archiviert werden. Selbstverständlich zum Schutze jedes Einzelnen.

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